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Die fiktive Abrechnung des Fahrzeugschadens nach einem Unfall

Was bedeutet fiktive Abrechnung?

Fiktive Abrechnung bedeutet Abrechnung des Fahrzeugschadens auf Nettoreparaturkostenbasis des Sachverständigengutachtens bzw. Kostenvoranschlags ohne Reparaturnachweis. Die fiktive Abrechnung ist das „gute Recht“ des Geschädigten und ist eine Folge der Dispositionsfreiheit des Geschädigten. D.h. der Geschädigte ist weder gehalten, das Fahrzeug zu reparieren, noch muss er die Art und Weise der Reparatur nachweisen. Das Gegenstück zur fiktiven Abrechnung ist die konkrete Abrechnung auf Grundlage einer Reparaturrechnung.

Gründe für die fiktive Abrechnung

Für den Geschädigten können folgende Gründe für eine fiktive Abrechnung sprechen:

  • Er will das Fahrzeug gar nicht reparieren lassen, er möchte es im beschädigten Zustand weiter fahren
  • Er will das Fahrzeug nicht reparieren lassen, sondern es verkaufen und sich ein anderes Fahrzeug anschaffen
  • Er will das Fahrzeug in Eigenregie wiederherstellen
  • Er möchte das Fahrzeug kostengünstig(er) in einer anderen Werkstatt reparieren lassen
  • Er möchte das Fahrzeug zunächst nur notreparieren und zu einem späteren Zeitpunkt selbst bzw. mit Hilfe eines Freundes reparieren lassen
  • Er möchte nach Erhalt der fiktiven Abrechnung, das Fahrzeug in einer Werkstatt fachgerecht reparieren lassen, mit dem erhaltenen Geld diese Rechnung anzahlen und anschließend weiteren Schadenersatz fordern.

Jeder der obigen Wege steht des Geschädigten offen. Gesetzlich ist der Schädiger gehalten, ihm den für eine Reparatur erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Die Art der der Verwendung ist hingegen allein Sache des Geschädigten. Solange es sich nicht um einen Totalschaden handelt, ist die fiktive Abrechnung immer möglich.

Der Geschädigte kann

  • zunächst fiktiv abrechnen, sich also den Nettoreparaturwert nach Gutachten auszahlen lassen,
  • sich danach in Ruhe nach einer geeigneten Werkstatt umsehen,
  • mit dem erhaltenen Geld die Reparatur anzahlen
  • die Rechnung bei der Versicherung einreichen und dann die Differenz nachfordern

Der Wechsel von der fiktiven zur konkreten Abrechnung ist zulässig und von der Rechtsprechung allgemein anerkannt

Fiktive Abrechnung und Reparaturkostenübernahme

Mit einer Erklärung zur Reparaturkostenübernahme lassen sich Reparaturbetriebe die Kostentragung der von ihr durchzuführenden Reparatur durch die Versicherung zusichern. Der Reparaturkostenübernahme liegt meistens folgende Fallgestaltung zu Grunde:

  • unmittelbar nach dem Unfall wird das Fahrzeug in eine Werkstatt verbracht.
  • Der Geschädigte ist sich nicht sicher, ob er denn Reparaturauftrag erteilen soll. Seiner Auffassung nach ist der Gegner schuld, daher müsste dessen Versicherung für den Schaden aufkommen. Er möchte mit der Reparatur ungern in Vorleistung gehen, der Geschädigte möchte zwar den Schaden umgehend repariert haben (gerade bei neueren, hochwertigen Fahrzeugen), aber dennoch Gewissheit haben, dass die Versicherung des Gegners zahlt.
  • In dieser Situation kann eine Erklärung zur Reparaturkostenübernahme Klärung schaffen. Mit einer Erklärung zur Reparaturkostenübernahme erklärt die Versicherung des Schädigers, die Reparatur zu zahlen.

Unser Tipp: Wenn Sie den Wagen schnellstmöglich reparieren lassen möchten und der Wagen schon in der Werkstatt steht, dann sollte eine Erklärung zur Reparaturkostenübernahme verlangt und fiktiver Schaden geltend gemacht werden. Denn oft passiert es, dass trotz Vorliegens einer Erklärung zur Reparaturkostenübernahme, die Versicherung die Rechnung nur sehr verspätet zahlt. Der Reparaturbetrieb kann dann ungeduldig werden und dann von dem Geschädigten als Auftraggeber trotz Vorliegens einer Reparaturkostenübernahme den Ausgleich der Rechnung verlangen. Denn eine Erklärung zur Reparaturkostenübernahme bedeutet nicht, dass der Betrieb auf alle Rechte gegenüber seinem Auftraggeber –nämlich dem Geschädigten- verzichtet. Eine Reparaturkostenübernahme liegt eher im Interesse der Werkstatt, um den Auftrag zu erhalten und (vorläufig)abzusichern. Für den Geschädigten ist es hingegen sicherer, im Wege der fiktiven Abrechnung vorzugehen und danach einen Reparaturauftrag zu erteilen, s.o.

Das Vorgehen der Versicherung bei der fiktiven Abrechnung

Wenn der Geschädigte auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens den Nettoreparaturwert geltend macht –also fiktive Abrechnung wünscht, wird die Versicherung in nahezu allen Fällen eine Kürzung (sog. „Werkstattverweis“)vornehmen. Dazu muss man vorab wissen, dass das Sachverständigengutachten die anfallenden Arbeitsstunden der anfallenden Reparatur nach denen einer markengebundenen Fachwerkstatt (handelt es sich um einen Mercedes also nach einem Stundensatz einer örtlichen Mercedeswerkstatt) berechnet. Bei älteren Fahrzeugen kann der Gutachter auch den Stundensatz nach einer regionalen freien Werkstatt ansetzen.

Die Kürzung durch die Versicherung erfolgt auf Grundlage eines sog. Prüfberichtes. Dieser Prüfbericht gibt sodann die Stundensätze einer „Partner-Werkstatt“ an, die in jedem Fall unter den Stundensätzen einer markengebundenen Werkstatt bzw. freien Werkstatt arbeitet. In dem Prüfbericht sind die einzelnen Kürzungen sowie der Name und die angeblich Qualifikation des Partnerbetriebes angegeben.

Einschränkungen bzw. Ausnahmen bei Kürzungen

Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19.10.09, VI ZR 53/09 „dürfen“ Versicherungen auf Grundlage eines solchen Prüfberichtes Kürzungen vornehmen. Es gelten für die Kürzung aber folgende Einschränkungen bzw. Ausnahmen:

  • Wenn das beschädigte Auto nicht älter als 3 Jahre ist, braucht sich der Geschädigte nicht auf eine Kürzung verweisen lassen. Der Geschädigte hat also Anspruch auf den vollen Stundensatz einer markengebundenen Fachwerkstatt gem. Sachverständigengutachten.
  • Wenn das Fahrzeug älter als 3 Jahre ist, braucht sich der Geschädigte nicht auf eine Kürzung verweisen lassen, wenn folgende Voraussetzungen nachweisbar sind:
    • das Fahrzeug wurde nach dem Servicescheckheft durchgehend in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet (alle Stempel sind vorhanden!)
    • Reparaturen wurden ebenfalls durch eine markengebundenen Fachwerkstatt durchgeführt, was ggfs. durch Rechnungen nachzuweisen ist

Handelt es sich also bei dem beschädigten Fahrzeug um einen 6 Jahre alten Golf und wurde nach 3 Jahren eine Inspektion bei einer freien Werkstatt durchgeführt, hat der Geschädigte den Weg der markengebundenen Fachwerkstatt „verlassen“ und muss sich auf die Kürzung der Versicherung gem. Prüfbericht verweisen lassen.

Der Prüfbericht der Versicherung mit den Angaben eines Partnerbetriebes suggeriert Geschädigten, dass man im Falle einer Reparatur, diesen Betrieb vorzugsweise beauftragen sollte. Dies ist falsch!

  • Der Geschädigte hat volle Dispositionsfreiheit über den Schaden und sein Fahrzeug. Er muss zwar unter den Voraussetzungen wie oben beschrieben vielleicht die Kürzung hinnehmen, er ist aber weder verpflichtet, das Fahrzeug überhaupt zu reparieren noch im Falle einer Reparatur, den im Prüfbericht benannten Partnerbetrieb der Versicherung zu beauftragen. Er hat freie Werkstattwahl. Der Prüfbericht gilt nur für den fiktiven Bereich!
  • Wie bereits oben beschrieben, kann der Geschädigte nach Erhalt der fiktiven Abrechnung einen Betrieb seiner Wahl mit der Rechnung beauftragen. Die Reparaturrechnung ist dann in vollem Umfang (gemeinsam mit Nutzungsausfall bzw. Mietwagenkosten erstattungsfähig). Um auf das obige Beispiel des 6 Jahre alten Golf zurückzukommen: der Golf könnte auch dann in einer VW-Werkstatt repariert werden, wenn das Fahrzeug die letzten Jahre in einer freien Werkstatt gewartet und repariert worden ist.

Was UPE-Aufschläge und Verbringungskosten?

Die Rechtsprechung ist insbesondere zur fiktiven Abrechnung sehr komplex. Versicherungen kürzen „gerne“ einzelne Positionen im fiktiven Bereich, die trotz eindeutiger Rechtsprechung nicht gekürzt werden dürfen. Ein gutes Beispiel sind die sog. UPE-Aufschläge und Verbringungskosten.

UPE-Aufschläge

Es handelt sich um Aufschläge auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers von Ersatzteilen. Bei Werkstätten ist es üblich, solche Aufschläge anzusetzen. Die Aufschläge werden daher von den Sachverständigen im Gutachten auch berücksichtigt.

Verbringungskosten

Es handelt sich um Kosten der Verbringung des Fahrzeugs von der Werkstatt in eine ausgelagerte Lackiererei. Aufgrund der immer komplexeren Lackierungen und Umweltschutzbedingungen haben selbst markengebundene Fachwerkstätten keine eigenen Lackierbetriebe mehr. Die zunächst reparierten Fahrzeuge werden in einen Lackierbetrieb „verbracht“. So werden z.B. alle Fahrzeuge von Mercedes im Bereich Rhein Ruhr in ein Lackierzentrum nach Duisburg verbracht.

Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf gem. Urteil vom 6.3.2012 – I-1 U 108/11 - sind UPE Aufschläge/Verbringungskosten auch und gerade bei der fiktiven Abrechnung erstattungsfähig.

Es heißt dort:

Bei einer Abrechnung auf Gutachtensbasis ist daher dann von einer Ersatzfähigkeit der entsprechenden Position auszugehen, wenn ein … Kfz-Sachverständiger unter Berücksichtigung der örtlichen Gepflogenheiten zu dem Ergebnis gelangt, dass im Falle einer Reparatur in der Region bei markengebundenen Fachwerkstätten typischerweise UPE-Aufschläge und Verbringungskosten erhoben werden.
Denn es ist senatsbekannt, dass die markengebundenen Kfz-Werkstätten … sowohl den sogenannten UPE-Aufschlag auf Ersatzteilpreise erheben als auch typischerweise über keine eigene Kfz-Lackiererei verfügen, so dass weitere Fahrzeugverbringungskosten anfallen

Die Versicherungen kennen diese Rechtsprechung, kürzen dennoch regelmäßig - „knicken“ aber spätestens bei Klageerhebung ein!